Solution
Veränderung im Unternehmen.
Warum wir auf Veränderungen mit Ablehnung, Widerstand oder Flucht reagieren.
Wer schon einmal versucht hat, eine Veränderung im Unternehmen durchzusetzen, kennt das Phänomen: Kaum wird bekannt, dass sich etwas ändern soll, bildet sich eine Front der Ablehnung in der Belegschaft. Dabei ist es zunächst einmal fast gleichgültig, wie umfassend oder gut die geplanten Veränderungen sind.

Untersuchungen zur Funktionsweise des Gehirns haben gezeigt, dass diese sofortige Ablehnung von Veränderungen ein evolutionär bedingter Reflex unseres Gehirns ist, um Energie zu sparen. Tatsächlich ist unser Gehirn, das beim Erwachsenen nur etwa zwei Prozent des Körpergewichts ausmacht, für fast 20 Prozent des Energieverbrauchs des Körpers verantwortlich. Das ist etwa 1,5-mal so viel Energie wie unser Herz benötigt. Und rund die Hälfte davon wird schon im Ruhezustand für den normalen Stoffwechsel der Nervenzellen verbraucht. Je mehr Leistung das Gehirn erbringen muss, desto stärker steigt sein Energieverbrauch – besonders bei Stress.
Unter Normalbedingungen nimmt unser Hirn bis zu zwei Drittel der mit der Nahrung zugeführten Blutglukosemenge für sich in Anspruch. Bei Stressbelastung steigt dieser Wert auf fast 90 Prozent an.
Das Gehirn auf Sparflamme.
Aber weil unser Gehirn schon für die Aufrechterhaltung seiner Grundfunktionen viel Energie braucht, spart es, wo es kann. Und das sind vor allem die nicht lebensnotwendigen Aufgaben und Funktionen des Hippocampus, wie z. B. abstraktes Denken, Rechnen, Lesen, Schreiben oder ähnliche Konzentrationsaufgaben. Tätigkeiten in diesem Bereich werden energetisch gern vom Gehirn rationalisiert, vor allem, wenn es sich um immer wiederkehrende Abläufe handelt. Diese werden als quasi automatisierte Ablaufmuster im Gehirn gespeichert. Das Gehirn muss dann nicht jedes Mal neu mit der Analyse einer Situation beginnen, sondern ruft einfach die erprobten und gelernten Muster zeit- und energiesparend ab. Dieses vereinfachende Sparverhalten findet vermutlich auch bei anderen Wahrnehmungsvorgängen statt.
[Stangl, W. (2020). Arbeitsteilung des Gehirns: Erinnerungen sind überall. (2020-08-19)]
Diese Strategie, Kraft zu sparen, hat sich in der Evolution bewährt und wird daher vom Gehirn durch die Ausschüttung von körpereigenen Opiaten belohnt. Deswegen bevorzugen die meisten Menschen im Alltag erprobte Denkmuster, Stereotypen und vor allem Handlungsroutinen, deren positive Ergebnisse erprobt sind. Kein Wunder, dass wir alle praktischen Helferlein, die uns die Arbeit erleichtern, toll finden. Sie reduzieren die Komplexität des Alltages, helfen uns dabei, den Energiebedarf des Gehirns zu senken und erzeugen somit ein Wohlgefühl. Organisatorische und strukturelle Veränderungen hingegen zwingen uns zu neuen und unbekannten Denk- und Lernprozessen, erfordern also zusätzliche Energie. Außerdem gibt es für das Ergebnis der Veränderung keine Erfahrungswerte. Zusätzlich löst alles Unbekannte bei uns Stress aus. Denn wir haben im Laufe der Evolution gelernt, dass es sinnvoll ist, dem Unbekannten mit größter Vorsicht und Skepsis zu begegnen. Darum ordnet unser Gehirn dem Unbekannten instinktiv zunächst einmal das größtmögliche Gefahrenpotenzial zu.

Angst aktiviert bewährte Strategien.
Das erklärt unsere weitverbreitete Angst vor dem Unbekannten und den damit unmittelbar verbundenen Stress. Angst aber aktiviert bewährte Strategien wie Abwehr, Flucht oder Verteidigung. Im Extremfall reagiert unser Gehirn sogar mit Realitätsverdrängung.
Insofern ist die ablehnende Reaktion der Mitarbeiter auf die Ankündigung von Veränderungen zunächst einmal eine ganz natürliche, gesunde Reaktion. Die spannende Frage lautet aber genau deshalb: Wie überwinden wir diese Reaktionsmuster? Wie gehen wir mit Stress im 21. Jahrhundert um? Was können wir tun, um unsere Mitarbeiter, unser Team davon zu überzeugen, sich auf Veränderungen einzulassen oder besser noch begeistert mitzutragen?
Eine Antwort darauf finden Sie in unserem nächsten Beitrag rund um das Thema Stress.
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